Gebetbuch Karl der Kühne

Im 15. Jahrhundert war der Hof der Herzöge von Burgund der wohl anspruchsvollste in Europa und förderte in großem Umfang niederländische und flämische Künstler in ihrem Reich. Das Gebetbuch Karls des Kühnen entstand zwischen 1469 und 1490 in Flandern in mehreren Arbeitsphasen. Es ist eines der Hauptwerke der altniederländischen Buchmalerei und nimmt eine besondere Stellung im Übergang zwischen Gotik und Renaissance in Nordeuropa ein. Jede Seite des kleinen Buches ist unvergleichlich aufwendig in prächtigen Farben und üppigem Blattgold verziert, darunter 47 Miniaturen und mehr als 360 Zierinitialen. Die beteiligten Buchmaler, darunter der Hofmaler Lieven van Lathem und der Wiener Meister der Maria von Burgund, revolutionierten mit ihren zarten Naturdarstellungen und ihren realistischen Personen und Gesichtern die europäische Buchmalerei.

Das Gebetbuch Karls des Kühnen

Unter all den wunderschönen, kostbaren illuminierten Manuskripten, die die flämische Buchkunst hervorbrachte, nimmt das Gebetbuch Karls des Kühnen eine Schlüsselstellung ein. Es ist ein absolutes Hauptwerk der Buchmalerei der burgunder Renaissance. Der kleine Codex beinhaltet auf 318 Pergamentseiten 47 Miniaturen und über 360 Zierinitialen auf ziseliertem Goldgrund. Mit überbordendem Goldschmuck verziert, wurde das Werk von Karls bevorzugtem Buchmaler Lieven van Lathem und seinem berühmtesten Kalligraphen Nicolas Spierinc beschrieben und mit zahlreichen Schmuckinitialen mit floralen oder figürlichen Darstellungen versehen. Drei Porträts des Auftraggebers belegen die sehr persönliche Beziehung Karls zu seinem Gebetbuch.

Ein Meisterwerk für den Hof von Burgund

Karl der Kühne, Herzog von Burgund, war eine schillernde Persönlichkeit. Er war der letzte und zugleich berühmteste Herzog aus dem Haus Valois-Burgund. Der Hof von Burgund wurde in der Regierungszeit Karls zu einem der glanzvollsten Herrschaftssitze in ganz Europa. Er war ein leidenschaftlicher Förderer der Kunst und ging als Luxusliebhaber und Sammler größter Kunstschätze in die Geschichte ein. Zahlreiche Codices, die in der Amtszeit seines Vaters Philipp des Guten begonnen wurden, ließ Karl fertigstellen. Als Mäzen stellte er höchste Ansprüche an die für ihn gefertigten Werke. Seine Neigung zu Prunk spiegelt sich auch in seinem Gebetbuch wider. Jede Seite des kleinen Büchleins zeigt in fantasievoller Vielfalt die ganze Pracht der flämischen Buchmalerei.

Flämische Buchkunst in höchster Vollendung

Zur Entstehungszeit des Gebetbüchleins war die belgische Region Flandern neben Paris das kreative Zentrum der Buchmalerei in Europa. Die belgischen Buchmaler schafften es, liebevolle Naturbeobachtungen sowie unglaublich realistische Mimik und Gestik in Personendarstellungen zu Papier zu bringen. Mit ihren innovativen Ideen und neuen künstlerischen Anreizen inspirierten sie große holländische Gemäldekünstler wie Jan van Eyck und Rogier van der Weyden, welche zur selben Zeit die Malerei weltweit revolutionierten. Lieven van Lathem – Hofmaler Philipps des Guten, seines Sohnes Karls des Kühnen und später auch Kaiser Maximilians – war damals einer der führenden flämischen Buchmaler. Er war ein geschätztes Mitglied der Malergilde von Gent und wurde später in die berühmte Lukasgilde von Antwerpen aufgenommen. Seine atmosphärische Landschaftsmalerei machte ihn zum Vorbild für unzählige nachfolgende Künstler. Er präsentiert sein Talent im Gebetbüchlein auf atemberaubende Weise. Bei der Gestaltung des kostbaren Werkes wurde er von mehreren weiteren Meistern unterstützt, deren genaue Identität nicht mit Sicherheit festzustellen ist. Bei einem von ihnen handelt es sich um den sogenannten Wiener Meister der Maria von Burgund. Forscher vermuten, dass sich hinter diesem Pseudonym Alexander Bening, der Vater des berühmten Künstlers Simon Bening, verbirgt. Er ist für die Gestaltung der feinen, bewegten Figuren und lebendigen Gesichter im Gebetbuch verantwortlich.

Eine bezaubernde Bildergeschichte

Das Gebetbuch Karls des Kühnen enthält 47 Miniaturen in überbordender Farbpracht und mit opulenter Goldverzierung. Die Bilder stellen die grenzenlose Fantasie und Erzählfreude ihrer Illuminatoren unter Beweis. Es befindet sich einfallsreicher Bordürenschmuck auf so gut wie jeder Seite des Werkes. Akanthusranken und andere Pflanzengewächse in lebendig leuchtenden Farben, goldene Blüten, unzählige Darstellungen fantastischer Fabelwesen, Menschen und Tiere tummeln sich an den Seitenrändern. Neben diesen zauberhaften Darstellungen finden sich drei Herrscherporträts des Auftraggebers Karl im Buch wieder. Diese Porträts belegen den persönlichen Charakter des Andachtsbuches. Auch die Texte der Handschrift sind reich illuminiert. Die sorgfältige Schrift wird durch **360 Initialen auf zumeist ziseliertem Goldgrund ** gegliedert.

Zusätzliche Informationen

Art

Datum

1469

Herkunftsland

Sprache

Latein